Jung geblieben
Seit 25 Jahren vergibt die Wilhelm-Lorch-Stiftung Förderpreise an den begabten Branchennachwuchs
Wenn am Forum-Abend die jungen Sieger auf die Heidelberger Bühne kommen, hat die Wilhelm-Lorch-Stiftung ihren öffentlichen Auftritt. Die Gewinner erhalten ihre Förderpreise und werden von der Branche gefeiert. Den in jedem Jahr begeisterten Applaus spenden die Spender. Das sind Unternehmen und Personen der Branche, die das Kapital bereitgestellt haben, aus dessen Erträgen diese Nachwuchsförderung finanziert wird.
In diesem Jahr ist Jubiläum. Seit 25 Jahren vergibt die Stiftung ihre Förderpreise für herausragende Arbeiten und Projekte junger Leute aus Design, Wirtschaft und Technik. Sie addieren sich von 1989 bis heute auf über 1,3 Millionen Euro.
Die Idee zur Stiftung war damals so einzig wie naheliegend. Aktueller Anlass war das 30. TW-Forum in 1988. Kein klassisches Jubiläum zwar, aber halt doch eine runde Zahl. „Ein Fest? Feuerwerk im Park? Oder Forum wie immer?“ So erinnerte Klaus Kottmeier, Sprecher der Geschäftsführung des Deutschen Fachverlages, bei der Vorstellung der Stiftung an die vorangegangene Debatte. Man diskutierte im Verlag und in der Branche und entschied sich für etwas Nachhaltiges. Kein Feuerwerk, sondern eine „Stiftung zur Förderung der Aus- und Weiterbildung begabter Nachwuchskräfte aus allen Bereichen der Textilbranche“.
Es sollte nachhaltig sein
Warum nicht einfach ein Fest? Es waren wohl zwei Gründe. Zum einen das Konzept des Verlages, neben der Herausgabe von Medien die jeweiligen Branchen zusammen zu führen; Bühnen zu schaffen, auf denen sich die Beteiligten begegnen und austauschen können. Was lag näher, als die Jungen in diese Begegnung einzubeziehen? Jede Generation wächst neben allem Ererbten in ihre eigene Welt hinein. Es ist ihr eigener Blick auf Engagement und Beruf, eine eigene Ästhetik und Kleiderordnung. Geprägt durch wirtschaftliche Bedingungen und Technik. Das war damals nicht anders als heute.
Dass auch damals tiefe Umbrüche die Branche in Atem hielten, zeigt schon ein Blick auf damalige Forum-Themen. Zum Beispiel 1987: „Doppelrollen. Die vertikalen Strategien in Handel und Industrie“. Wie gesagt 1987!! Oder 1988: „New York-Gifhorn. Wie klein wird die Welt des Einzelhandels?“ Oder 1992: „Gemeinschaft der Konkurrenten. Wie kooperiert eine Branche, in der jeder auch die Rolle des anderen spielt?“
In der Branche war es dann an erster Stelle Gerd Somberg, Präsident des Bundesverbandes Bekleidungsindustrie, der sich für die neue Stiftung stark machte. Klaus Kottmeier damals: „Ohne Sie, Herr Somberg, würde es diese Stiftung nicht geben.“
Als die Stiftung beim Forum im Juni 1988 vorgestellt wurde, hatten 150 Personen, Unternehmen, Verbände und Messen 800 000 DM zum Startkapital zugesagt. Der Deutsche Fachverlag stockte auf Veranlassung von Frau Eva Lorch, der Witwe von Wilhelm Lorch und damaliger Verlegerin, um 400 000 DM auf und übernahm seitdem alle Kosten der Führung und Verwaltung der Stiftung, so dass man 1989 Förderpreise von 50 000 DM und schon ab 1990 von jeweils 100 000 DM ausschütten konnte.
Ohne Umwege war auch der Name der Stiftung gefunden. Wilhelm Lorch hatte 1946 den Verlag mit der TextilWirtschaft gegründet. Und er verfolgte von Anfang an das heute noch gültige Konzept, Plattformen anzubieten, auf denen sich die Branche treffen und austauschen kann. 1959 lud er zum ersten Forum der TextilWirtschaft nach Heidelberg ein. Es lag auf der Hand, die Branchenstiftung nach ihm zu benennen.
Premiere nach dem Fall der Mauer
Die ersten Förderpreise wurden am 16. November 1989 auf einer eigens hierfür angesetzten Veranstaltung im damals nagelneuen Verlagsgebäude in Frankfurt am Main vergeben. Eingeladen waren alle Stifter, die Preisträger und Institutionen der Branche. Auch ein prominenter Referent trat auf: Professor Bert Rürup, später als Rentenexperte in den politischen Schlagzeilen. Er sprach von „wachsender Unsicherheit aufgrund steigender Informationsüberladung“. Aber das Internet war damals noch gar nicht in Wirtschaft und Medien angekommen! Rürup war ein Glücksgriff. Schließlich ging es um junge Leute und die Zukunft ihrer Berufe.
Und dann das Datum dieses Starts! Eine Woche nach dem Fall der Berliner Mauer. Auch das setzte Zeichen für die anstehende Arbeit der Stiftung. Sehr früh wurden Förderpreise an Hochschulen und junge Leute aus den neuen Ländern vergeben.
Rat, Vorstand, Kuratorium
Branche und Verlag hatten nicht nur das Geld gegeben. Viele Unternehmer, Manager, Experten engagierten sich persönlich. Das gilt bis heute. Im Stiftungsrat, der über die Grundsätze der Arbeit und die Verwendung der Erträge entscheidet, übernahmen das viele Persönlichkeiten, obwohl sie ansonsten über Mangel an Arbeit nicht zu klagen hatten. Die Vorsitzenden des Stiftungsrates seit der Gründung waren Gerd Somberg, Dr. Michael Braun, Manfred Kronen, Klaus Brinkmann, Paul Falke und vom kommenden Jahr an Jürgen Richter. Sie alle haben sich mit Erfolg – und zuweilen sehr originellen Ideen – dafür eingesetzt, dass das Stiftungsvermögen Jahr für Jahr auf heute 2,73 Millionen Euro gewachsen ist.
Stiftungsvorstand ist vom Start der Stiftung bis heute Klaus Kottmeier, seinerzeit Sprecher der Geschäftsführung und heute Vorsitzender des Aufsichtsrates des Deutschen Fachverlages. Der Vorstand verwaltet das Stiftungsvermögen.
Und nicht zuletzt das Kuratorium, das die Gewinner der Förderpreise vorschlägt. Es hat jeweils eine gehörige Portion inhaltlicher Arbeit: Kontakte zu den Bildungseinrichtungen, Unternehmen und Verbänden der Branche; Begutachtung der in jedem Jahr zahlreich eingesandten Arbeiten und Projekte. Auch hier ist einer langen Liste von Personen zu danken, aus der Branche und auch aus dem Verlag, voran den Redaktionen. Zwei, die von Anfang an bis Ende 2012 dabei waren, seien besonders genannt: Theo Woertler und Professor Rolf Klinke.
Die große Bühne des TW-Forums
Ab 1994 wurden die Förderpreise der Wilhelm-Lorch-Stiftung auf dem TW-Forum in Heidelberg vergeben. Es hatte sich in den ersten Jahren gezeigt, wie breit die Zustimmung und Beteiligung der Branche war. Und so entschloss man sich, den öffentlichen Auftritt auf die große Bühne des Forums zu heben.
Gerd Somberg, der einen großen Anteil am glücklichen Start dieser Branchenstiftung hatte, hat das nicht mehr erlebt. Er starb überraschend im Dezember 1992. Als nachfolgender Vorsitzender des Stiftungsrates präsentierte Dr. Michael Braun die Stiftung der in Heidelberg versammelten Branche.
Der Wechsel zum Forum war richtig. Die öffentliche Wirkung der Wilhelm-Lorch-Stiftung wuchs kräftig. Und mit ihr das Kapital. Jedes Jahr gingen fünfstellige Zustiftungen ein. Und es gab Überraschungen, die einen zusätzlichen Schub bescherten. So bat 1994 Alfred Kaune als Chef des Kasseler Stoffhauses Kö „Kollegen und Lieferanten“, statt Geschenken für sein 25-jähriges Jubiläum die Stiftung zu bedenken.
Beim Forum 1999 kündigte Werner Otto am späten Abend der überraschten Verlagsgeschäftsführung eine Zustiftung von 100 000 DM an. Weil ihm Konzept und Auftritt der Stiftung imponierten. Die Überweisung erfolgte am nächsten Morgen. Zum Forum 2004 überwies Passport aus Anlass seines Jubiläums 25 000 Euro für einen Sonderpreis „Funktionsmateralien bei Sport und Mode“ und eine weitere Zustiftung.
Auf dem Forum 2009 überraschte Dr. Paolo Zegna als Referent die Gäste mit dem Angebot, die Preisträger der Stiftung zur Milano Unica einzuladen. Auch dies eine spontane Reaktion auf den Auftritt der jungen Leute in Heidelberg. Es folgte ein großartiges Programm, abgestimmt zwischen der Messe in Mailand und dem Sekretariat der Stiftung: Besuche und Gespräche mit Verantwortlichen bei Loro Piana, Zegna, Limonta, beim Designbüro Serikos und auf der Stoffmesse. Das wurde 2010 wiederholt.
Apropos Sekretariat: Zusätzlich zum Dank an die Stiftungsräte, an den Vorstand und das Kuratorium ist hier das Sekretariat einzubeziehen, das die tägliche Verwaltung vom eigenen Schreibtisch bis zur Durchführung der externen Veranstaltungen erledigt. In den ersten Jahren lag das bei Helga Zwätz, seitdem bei Michaela Berger. Die gern zugibt, dass dies viele schöne Seiten hat; wie die Reisen nach Mailand und überhaupt die vielseitigen Kontakte zur Branche und zu den jungen Bewerbern um Förderpreise.
Von der Branche getragen
2011 war dann ein ganz besonderes Jahr. Die Bernd-Freier-Stiftung bot ihre Zusammenarbeit an. Die Satzung der Wilhelm-Loch-Stiftung wurde angepasst. Mit dem als Aufsichtsbehörde zuständigen Regierungspräsidium Darmstadt wurde die „Zulegung“ der Bernd-Freier-Stiftung zur Wilhelm-Lorch-Stiftung abgestimmt. In Absprache mit Bernd Freier trat Reinhold Werthmann in den Stiftungsrat ein. Und das Kapital der Stiftung wuchs um rund 550.000 Euro.
Im Jubiläumsjahr blickt man zurück. Die Idee einer von der Branche getragenen Stiftung entwickelte sofort nach der Gründung vor nunmehr 25 Jahren große Akzeptanz und Zugkraft. Viele Persönlichkeiten aus Handel, Industrie, Dienstleistung, Bildungseinrichtungen und Verbänden engagierten sich. Sie stifteten Zeit und Geld und gaben der Stiftung Jahr für Jahr neue Impulse. Durch ihre Kontakte zu Unternehmen, Hochschulen, Fachschulen und durch die Berichte der TextilWirtschaft sprang der Funke auf junge Leute über, die ihre berufliche Zukunft in der Branche suchten. Sie bewarben sich mit oft großartigen Arbeiten und Projekten um Förderpreise. So blieb die Wilhelm-Lorch-Stiftung jung.
Am 7. Mai dieses Jahres, wenn die jungen Preisträger am Forum-Abend auf die Heidelberger Bühne kommen, wird es wieder so sein: Applaus der Branche für herausragende Leistungen bei Design, Wirtschaft und Technik. Unternehmen laufen nicht von allein. Stiftungen auch nicht.
Jörg Hintz
25 Jahre Förderpreise 1989 - 2014
25 Jahre Förderpreise - Artikel in TextilWirtschaft Nr. 19 vom 8.5.2014