"Fil-à-Fil - die Sprache des Fadens"

Technik muss sensibel sein
Am Anfang war da nur das eine Wort: Stickerei. Eine Idee ihres Professors. Weil sie sich doch während ihres Studiums schon immer mit der Weberei beschäftigt hat, Textil auf das Wesentliche, das ursprüngliche Element zu reduzieren: Da ist Ute Wolff die Idee mit dem Faden gekommen. Eine echte Herausforderung für die 27-Jährige. "Das Thema Stickerei belächeln die meisten", sagt sie realistisch, "das hat so was Großmutti-Mäßiges." Ute Wolff wollte diese Skeptiker vom Gegenteil überzeugen. "Was Faden und Grund miteinander betreiben können, was aus zwei unterschiedlichen Protagonisten werden kann, das war Ziel meiner Arbeit." Das fertige Bekleidungsstück interessiert sie nur am Rande. "Zu kurzlebig", so ihr Kommentar. Aber "eine perfekte Naht, der Umgang mit dem Grundelement - dem Material - ist etwas Wunderbares". Der gebürtigen Erfurterin war schon zeitig klar, dass sie gerne etwas Künstlerisch-Handwerkliches zu ihrem Beruf machen möchte. Und so kam es, dass sie Textildesign an der Hochschule für Kunst und Design an der Burg Giebichenstein in Halle studierte. Ihre Arbeit "Fil-à-Fil - die Sprache des Fadens" hat mit Stickerei im herkömmlichen Sinne wenig zu tun. Da überlappen sich Fäden zu zarten Gespinsten. Da verbinden Fäden mehrere Stofflagen miteinander. Da bilden Fäden dreidimensionale Formen und werden zu subtilen Stoffgebilden. Ute Wolff wollte Stickerei nicht als Variante bereits vorhandener Mustergestalten verstehen, sondern sie zur Schaffung neuer textiler Flächen nutzen. "Austauschbare Dekore, die nur den Schein der Produkte variieren, brauchen wir nicht", sagt sie energisch, "Technik muss sensibel sein." Ihre Aufenthalte in Frankreich haben sie in dieser Hinsicht geprägt. Der Umgang der Franzosen mit Kreativität und Ästhetik habe sie sehr beeindruckt. Nach dem Abitur 1991 und auch während ihres Studiums hat die Ostdeutsche immer wieder Praktika in Südfrankreich gemacht - eines davon in einer Seidenweberei in Lyon. Die Liebe zu Frankreich ist ihr geblieben - auch nachdem sie nach Deutschland zurückgekehrt ist. "Frankreich ist schon eine zweite Heimat für mich geworden." Irgendwann einmal in Frankreich zu arbeiten bleibt ein kleiner Traum von ihr. Seit Oktober letzten Jahres arbeitet Ute Wolff als wissenschaftlich-künstlerische Mitarbeiterin an der Hochschule für Kunst und Design in Halle. Eine Arbeit, die ihr viel Spaß macht und ihr dabei Zeit zur persönlichen Entfaltung lässt. Ihr weiteres Berufsziel? Am liebsten würde sie mit einem Partner Innenarchitektur und Textil gleichberechtigt entwickeln. "Gerade Innenarchitekten haben oft ein Defizit in textilen Belangen." In der Forschung zu arbeiten - auch das fände Wolff interessant. Endgültig festlegen möchte sie sich aber noch nicht. "Das Tolle an meiner jetzigen Tätigkeit ist, dass ich meinen Weg noch auslotsen kann." Pläne hat die Preisträgerin genug: Zur Zeit arbeitet sie in Zusammenarbeit mit der Firma Herfert aus Theuma an der Umsetzung ihrer Diplomarbeit. Das Stiftungspreisgeld will sie erst einmal auf die Seite legen. "Für schwierige Zeiten. Man weiß ja nie."
Sabine Spieler
TextilWirtschaft 17 vom 27.04.2000