Optimierung der Kollektionsentwicklung

"In der Technik liegt die Kreativität"
Ihr sei es gelungen, die Grenzen zwischen Technik und Design aufzuweichen, resümiert die Jury ihre Entscheidung, an Ulrike Braun (30) in diesem Jahr einen Förderpreis der Wilhelm-Lorch-Stiftung zu vergeben. Die Idee einer Symbiose von Design und Technik hat die Preisträgerin schon immer begleitet. Sie bekennt ihre Wurzeln im Design ebenso wie ihre technische Veranlagung. Als sie nach Abitur und Damenschneiderlehre über den weiteren Bildungsweg nachdenken musste, standen das Modedesign-Studium in Berlin oder Trier und die Ausbildung zum Bekleidungsingenieur in Mönchengladbach in der engeren Wahl. Sie ging an die FH Niederrhein, machte dort 1999 das Ingenieur-Diplom und ist seitdem im Zusatzstudium Wirtschafts- ingenieurwesen. Das Leitmotiv, das sich Ulrike Braun für ihre Diplomarbeit ausgewählt hatte, klingt wie eine Bestätigung ihrer Berufswahl: "Man kann durch den Schnitt alles sagen, aber ich glaube, dass die Technik unersetzbar ist." Man kann Kreativität nicht lehren, doch in der Technik liegt die Kreativität. Die Sätze stammen von der britischen Kreativen Vivienne Westwood. Diese hat es auch als den schrecklichen Irrtum des 20. Jahrhunderts bezeichnet, der Kreativität den Vorrang einzuräumen. Die jetzt ausgezeichnete Arbeit von Ulrike Braun basiert auf der Einführung neuer Technologien in den Prozess der Kollektionserstellung unter industriellen Bedingungen. Sie wurde während eines sechsmonatigen Praktikums bei Cerruti 1881 in Krefeld initiiert. Die Diplomandin implimentierte die bislang im Modeunter- nehmen manuell erstellten Skizzen und technischen Zeichnungen für die Kollektionserstellung in ein Computersystem, damit sie dort für alle Bereiche jederzeit zugänglich sind. Dabei hat sie auch ein Baukastenmodell entwickelt, das den Einstieg in Basismodelle für die nachfolgenden Saisons erleichtern soll. Ein Handbuch für das erarbeitete System wird im Unternehmen bereits seit zwei Saisons eingesetzt. Ihre kreative Seite zeigte Ulrike Braun dann im zweiten Teil ihrer Diplomarbeit. Sie entwarf für Cerruti 1881 zwei auf Zielgruppen bezogene Entwürfe für Damen- Tages- und Abendkleidung. Eines wurde in der Kollektion realisiert und wird in einer Fotodokumentation präsentiert. Zur Zeit, bekennt die Preisträgerin, werde sie von einer argen Italien-Sehnsucht gebeutelt. Die hat sie schon seit einiger Zeit, konnte sie aber bisher nur durch drei Sprachstudien-Aufenthalte in Florenz während der Semesterferien befriedigen. Nun aber strebt sie für längere Zeit nach Italien, möchte ins italienische Design schnuppern. Verhandlungen mit einem namhaften italienischen Bekleidungsunternehmen laufen, sagt sie. Sie hat starke Hoffnung auf den Karrierestart im Süden. Hierzu wird sie auch das Preisgeld verwenden, dass ihr in Italien sicher finanziell helfen werde.
Irene Gerke
TextilWirtschaft 17 vom 26.04.2001