Dialog zwischen Schulen und Ausbildern

"E-Mail vom Lehrer"
Eine E-Mail erreicht den Ausbilder eines Modehauses: "Im Namen der Schulleitung und der Lehrer wünsche ich Ihnen ein besinnliches Weihnachtsfest und ein glückliches Neues Jahr. Für die konstruktive Zusammenarbeit im vergangenen Jahr danke ich Ihnen und freue mich darauf, unsere gemeinsamen Ziele auch im kommenden Jahr zu verwirklichen. "Mit diesen Sätzen eröffnet Annette Stober (23) ihre Diplomarbeit mit dem sperrigen Titel "Praxis der Lernortkooperation im Ausbildungsberuf Kaufmann/Kauffrau im Einzelhandel Fachbereich Textil". Dahinter verbirgt sich eine Problematik, die wahrscheinlich die meisten Inhaber und Geschäftsführer ausbildender Betriebe kennen: die Zusammenarbeit zwischen den Berufsschulen und den Ausbildungsbetrieben. Um dieser Problematik auf den Grund zu gehen, hat Susanne Stober Befragungen an Schulen und in Betrieben durchgeführt. Erschreckend war für sie, dass in vielen Betrieben, die sie angerufen hat, gar nicht mehr ausgebildet wird. Viele Unternehmen, besonders die großen Filialisten, halten sich mit Aushilfen über Wasser, sorgen aber nicht für Fachnachwuchs. In den Ausbildungsbetrieben war der Anruf der 23-jährigen aus dem baden-württembergischen Emmendingen willkommener Anlass, um Kritik loszuwerden. Ausbilder beschwerten sich über fachfremde und ungenügende Lehrinhalte. Aber auch die Lehranstalten waren nicht immer glücklich mit dem Verhältnis zu den Betrieben. Sie beklagten mangelndes Interesse an der Zusammenarbeit mit den Schulen. Trotzdem war das Echo auf ihre Nachforschungen insgesamt sehr positiv. Die meisten der Befragten erkundigten sich bereits nach ersten Ergebnissen und wollen auf jeden Fall eine Auswertung zugesandt bekommen. Die Studentin hat also offensichtlich den Nerv der Beteiligten getroffen. Sie hofft, mit ihrer Arbeit einen Stein ins Rollen zu bringen. Für offenes Aufeinanderzugehen, für den Abbau von Vorurteilen. Den speziellen Reiz der Modebranche entdeckte Annette Stober vor einigen Jahren durch ein Praktikum im Modehaus Blum-Jundt im heimischen Emmendingen. Der Spaß an der Ware und am Umgang mit Mitarbeitern konkretisierte bald ihren Berufswunsch: Ausbilderin im Textileinzelhandel. Das nötige betriebswirtschaftliche und pädagogische Know-how vermittelt ihr das Studium der Wirtschaftspädagogik an der Universität Mannheim, das sie in diesem Sommer abschließen wird. Um ihren Wunsch zu verwirklichen, möchte Annette Stober danach ihre Branchen- und Warenkenntnisse vertiefen. Das Stipendium der Wilhelm-Lorch-Stiftung kommt deshalb wie gerufen und wird von der jungen Frau aus Emmendingen für ein Aufbaustudium in Nagold genutzt." Die Qualität der Ausbildung hängt ab von der Qualität der Ausbilder", sagt sie. Recht hat sie.
Jörg Nowicki
TextilWirtschaft 17 vom 26.04.2001