«Der diskrete Charme der Bourgeoisie»
Ihr Nostalgie-Faible verdankt sie ihren Großmüttern. «Schon als kleines Mädchen bin ich liebend gerne in die Kleider meiner Omas geschlüpft, die ich später geerbt habe und die für mich sehr wertvoll sind», beschreibt Marion Vierlinger. Nostalgische Elemente finden sich auch in der Diplomarbeit der 29-Jährigen wieder - allerdings stets mit einem Augenzwinkern versehen. Denn Ironie und Kontraste gehören für die Diplom-Designerin einfach dazu. So war der Film «Der diskrete Charme der Bourgeoisie» des spanischen Regisseurs Luis Bunuel die perfekte Vorlage für ihre Abschlussarbeit an der Fachhochschule in Trier. Bunuels Vorliebe, die Eigenarten der Bourgeoisie auf ironische, skurrile Weise darzulegen, hat Marion Vierlinger inspiriert. Auch sie parodiert den Spaß einer neuen, emanzipierten Frauengeneration am wieder entdeckten Lady-Chic.
Die Spannung in Vierlingers Entwürfen liegt in der Überzeichnung ausgewählter Retro-Elemente. Die Herausforderung bestand für die 29-Jährige darin, Zitate vergangener Epochen mit neuen Elementen zu verbinden: Etwa die Kniebundhose zur tief dekolletierten Bluse und Stilettos, die Pepita-Hose zur Ledercorsage, als Outfits nostalgischer Zicken.
Im letzten Part ihrer Diplomarbeit, die mit einem Förderpreis der Wilhelm-Lorch-Stiftung ausgezeichnet wurde, untermauert sie diese Kontraste in Form einer Fotoserie. Darin zeigt sie Frauen, «die in unkonventionellen Posen und eigenwilligen Accessoires skurrile Deutungsmöglichkeiten nahe legen und in Verbindung mit Zitaten aus dem "Leitfaden für feines Benehmen" schmunzeln lassen über den Wandel der Umgangsformen», wie Vierlinger in ihrer Arbeit erklärt. Auch hier wieder ihr Hang zur Ironie. «Mir gefällt es eben, wenn Menschen ihr Leben mit Selbstironie meistern», so die Designerin. Manchmal wünscht sie sich selbst etwas mehr davon. Dennoch hat sie schon viel gelernt auf ihrem bisherigen Werdegang von der Schneiderlehre zur Diplom-Modedesignerin. Zur Zeit arbeitet sie als Design-Assistentin bei René Lezard, wo sie vor allem ihre CAD-Kenntnisse erweitert. Dass Marion Vierlinger nicht nur eine kreative, sondern auch eine pragmatische Seite hat, beweist allein die Tatsache, dass sie das Preisgeld in einen Computer mit Scanner und Farbdrucker investieren möchte. «Damit ich auch zu Hause das ein oder andere Mal ausprobieren kann».
Sabine Spieler
TextilWirtschaft Nr. 17 vom 25. April 2002