«Das menschliche Gehirn»
«Um die Schutzfunktion des Schädels aufzugreifen, habe ich große offwhite Daunenmäntel entworfen», schreibt Julia Zahlten in ihrer Diplomarbeit «Das menschliche Gehirn». Von der Farbgebung bis hin zu Stoffen und Schnitten setzt die 29-Jährige in ihrer Kollektion Aspekte rund um das Gehirn in Mode um: Die Struktur der Hirnwindungen wird auf ein Fleece übertragen, Nervenfaserverbindungen werden zu Strickteilen mit Flottungen.
Überraschend, spannend und sehr durchdacht wirkt diese Umsetzung. Dabei befasst sich Julia Zahlten nicht nur mit dem gesunden Gehirn, sondern auch mit dem kranken: Große Kapuzen, die sich komplett verschließen lassen, sollen zum Beispiel zeigen, wie manche Menschen nach einem Schlaganfall in einer eigenen Welt gefangen sind und nicht mehr kommunizieren können.
Das eigene Gehirn hat die gebürtige Schweinfurterin aber nicht nur für die kreative Designarbeit genutzt - sie wollte bewusst eine kommerziell umsetzbare Kollektion entwerfen. So ist die Diplomarbeit in Kooperation mit Tom Tailor, Hamburg, als Highwinter-Programm für die junge Linie XPS entstanden. Zielgruppe sind trendbewusste Frauen und Männer im Alter zwischen 16 und 28 Jahren. Das Ergebnis der Arbeit: Abschlussnote 1,0 der Fachhochschule Trier und eine Festanstellung bei Tom Tailor. Dort entwirft die diplomierte Modedesignerin Wirkwaren für Männer im Bereich Sportswear.
Dieser Job ist vorläufiger Höhepunkt einer Karriere, die Julia Zahlten 1992 mit dem Besuch der Bekleidungsfachschule in Aschaffenburg begann. Nach dem Abschluss als bekleidungstechnische Assistentin 1995 folgte das Modedesign-Studium an der Fachhochschule Trier mit diversen Praktika unter anderem bei S.Oliver, Rottendorf, Tom Tailor, Hamburg, und Born Free in London.
Die Erfahrungen, die die junge Designerin auf diesem Wege sammelte, mündeten im März 2001 in die vom menschlichen Gehirn inspirierte Kollektion. Damit beeindruckte sie auch die Juroren der Wilhelm-Lorch-Stiftung, die die Arbeit mit einem Förderpreis auszeichneten. Auch auf die Frage, wozu sie ihre 5000 Euro Preisgeld verwenden wolle, zeigt sich Zahlten selbstverständlich durchdacht: Ein neuer Computer müsse her - mit großem Bildschirm, Scanner und Drucker, um auch privat der Designleidenschaft frönen zu können.
Carolin Schöngarth
TextilWirtschaft Nr. 17 vom 25. April 2002