Die in der Kälte leben

Andrea Dedio macht Mode mit Gefühl
Sehr subjektiv. Voller Gefühl. Also kreativ. Andrea Dedio hat sich mutig mit der inneren und äußeren Welt schizophrener Menschen vertraut gemacht. Und sie hat sich anregen lassen von der unendlichen Weite der Polarlandschaften, von der Eiseskälte, in der Inuit leben. Daraus entstand die zweigeteilte Diplomarbeit "Archaik und Moderne". Andrea Dedio will darin innere Erlebniswelten zum Ausdruck bringen - in Mode.
Im ersten Teil ihrer Arbeit erforscht die junge Designerin die Erfahrungen von Schizophrenie-Patienten: "Zwänge, Gummizelle, Einschnüren bis zum Ersticken, Entfesselung" - das sind einige Schlüsselbegriffe. Dedio verwandelt sie in Mode, vielmehr in Kleidung. Natürlich in weiße (Anstalts-)Kleidung: Jacken, gepolstert wie Gummizellen. Kleider, gehäkelt aus transparenten Schläuchen. Oberteile mit eingearbeiteten Medikamentendöschen oder mit Plastikmessern anstelle von Korsagenstäbchen. Was dabei herauskam, sind poetische Kostüme. Sie wurden zum Ausgangspunkt einer Tanzperformance, die Andrea Dedio nicht nur mit beeindruckenden Zeichnungen dargestellt hat. Sie hat diese Performance sogar als Power-Point-Präsentation inszeniert.
Im zweiten Teil ihrer Arbeit greift Andrea Dedio die obigen Leitmotive wieder auf. Diesmal allerdings unter dem Fokus "Eiseskälte": inspiriert von dem Film "Atanarjuat". Die junge Designerin wurde von den Bildern zu vier Kollektionen angeregt. Ebenso, dass Kapuzen eine zentrale Rolle darin einnehmen. Sie hebt die Grenzen zwischen Kapuze, Mütze, Kragen auf. Farbige Landschaftsbilder aus Alaska verwandelt sie in außergewöhnliche Print- und Strick-Dessins. Daraus gibt es eine komplette Basic-Kollektion von Shirts bis zu sportiven Jacken. Sie dient als dekoratives Bindeglied der vier pur gehaltenen Kollektionen. Schützen, Verhüllen, Schnüren, Einengen, Lockern - diese formellen Aspekte geben den Kollektionen zugleich Bedeutung. Sie zeigen gemütliche Strickteile zum Einkuscheln genauso wie großräumige Mäntel, in denen man jeden Schneesturm aushalten kann. Manche sportive Jacke wirkt streetwearig, manche futuristisch.
In jedem Fall sprechen die Entwürfe Bände über Andrea Dedios kreative Kraft - da sprudelt es nur so, ungehemmt und ungezwungen. Zur Zeit profitiert davon der DOB-Spezialist Apriori. Denn dort, in Münster, hat Andrea Dedio seit März eine Stelle als Modedesignerin für Strick. Da kann die junge Frau aus Brünn in Tschechien, die an der Fachhochschule Trier studierte, ihr Preisgeld vorerst ruhen lassen: "Vielleicht verwende ich es einmal für eine Strickmaschine. Falls ich mich irgendwann selbstständig mache. Aber jetzt bin ich erst mal glücklich so, wie alles ist."
-Gudrun Allstädt-