"Vom Experiment zum Industrie-Produkt"

Julia Nitzl nimmt Korallen als Anregung zu innovativen Walk-Kreationen
Die ursprüngliche Idee zu meiner Diplomarbeit reicht zurück ins Jahr 2000, als ich während meiner Thailand-Reise meinen ersten Tauchgang unternahm. "Aus der Unterwasserwelt brannte sich besonders das Bild der Korallen in mein Gedächnis ein", erzählt Julia Nitzl. Korallen in allen Facetten sind die Anregung für ihre Diplomarbeit als Textildesignerin an der Fachhochschule Hof, Abteilung Münchberg. Inzwischen ist die 26-Jährige aus Treuchtlingen frischgebackene Diplom- Textildesignerin und stolz auf eine außergewöhnliche Diplomarbeit, die mit "Sehr gut" bewertet wurde.
Aber bis es soweit war, war es ein langer Weg. Auf diesem unterstützte sie stark die Südtiroler Tuchfabrik Moessmer AG in Bruneck. Hier ist sie heute als Textildesignerin verantwortlich für die Walk-Kollektion. "Ich wollte eigentlich in Indien meine Diplomarbeit machen und bin auch hingeflogen, aber das ist gründlich schiefgegangen", berichtet Julia Nitzl. Doch dann gab ihr Dr. Walter Niedermair, Geschäftsführer von Moessmer, die Chance, ihre Ideen zu verwirklichen. "Er hat mir vollkommene Freiheit gelassen, so dass ich selbst die technisch schwierigsten Dinge machen konnte", stellt sie begeistert fest. Jetzt, wo sie an ihrer ersten Walk-Kollektion für Herbst/ Winter 2008/09 arbeitet, kommt eine neue Herausforderung auf sie zu. Nämlich ihre Kreativität technisch machbar umzusetzen und verkäuflich zu machen. Dabei hat sie schon die Erfahrung gemacht, dass sich gute Ideen auch gut verkaufen lassen. Ein Designkonzept aus ihrer Diplom-Kollektion hatte Dr. Niedermair in die letzte Herbst/Winter-Kollektion von Moessmer genommen. Der Artikel hat Kunden in Frankreich und Deutschland gefunden.
Dornröschenschlaf.
Ihre Korallen-Inspirationen schlummerten allerdings erst einmal sechs Jahre bis sie in Kooperation mit Moessmer als gestrickte Walkartikel realisiert wurden. Besonders wichtig war Julia Nitzl die verschiedenen Korallenarten in allen Facetten, haptisch, optisch und farblich umzusetzen. Hier ist ihre ganze Begeisterung für die faszinierende Unterwasserwelt deutlich zu spüren. Ihre kreativen Ideen setzte sie in aufwändiger Handarbeit um. "Indem ich Holzkugeln, Gummibänder, lose Wolle, Tannenzapfen und Ähnliches in die leichten Gestricke einnähte, walkte und wieder entfernte, behielten die Walker durch den Schrumpf der Wolle auch ohne die Utensilien die Form", erklärt Julia Nitzl ihre Arbeitsweise. Da ihr das auf Dauer zu unproduktiv war, ging sie zur industriellen Fertigung unter Einbeziehung der Handarbeit über und strickte auf einer Großrundstrickmaschine. Sie verstrickte Wolle in Kombination mit Lurex, Mohair, Baumwolle und Elastan. Da beim Waschen bei 30°C nur die Wolle schrumpft, entstanden plastische Reliefstrukturen. Zusätzliche Effekte erzielte sie bei zweilagigen Gestricken, indem sie partiell mit der Schere in die obere Lage des Gestricks schnitt. Der entscheidende Schritt war dann, dass sie das Geschnipple durch das Einstricken eines Baumwollfadens an den Schnittstellen ersetzte, der dann durch Karbonisation und anschließende Neutralisation weggebrannt wurde. So klaffte an den gewünschten Stellen die Gestrick-Oberseite auseinander. Der lange Weg von einer Idee zu einem kreativen, aber verkäuflichen Industrie- Produkt.
-Claudia Winkelmann-