"Des Bäckers neue Kleider"
Kathrin Kauders Kreationen schöpfen aus der Symbolik des Brotes und der Bedeutung des Bäckerhandwerks
Mode ist Imagination. Wenn eine Kollektion eine Geschichte erzählt, schafft sie zur kreativen Aussage einen emotionalen Mehrwert. Stiftungspreisträgerin Kathrin Kauder weiß in ihrer Abschlussarbeit eine sehr authentische und persönliche Geschichte zu erzählen. "Daily Bread" hat sie ihre Kollektion überschrieben, die eine Art Stoff gewordene Kindheitserinnerung ist. Erinnerungen an das Haus ihrer Familie, einer alten Göttinger Bäckerfamilie, in dem stets der Duft von frischem Brot in der Luft lag und in dem sie auf der Treppenstufe sitzend oft dem geschäftigen Treiben in der Backstube zugesehen hat. Die eigentümliche Funktionalität der Arbeitskleidung, die Farbeindrücke der ganz in Weiß und Gelb gehaltenen Backstube und der verwischten Mehlspuren auf dem Fußboden - all das findet Eingang in die Kollektion. Haptik und Ästhetik des Gebrauchsmaterials sind bewusste Gestaltungselemente.
So wird ein alter Mehlsack, den sie auf dem Dachboden ihres Elternhauses findet, zum Ausgangspunkt des Entwurf-Prozesses. Kittel und Schürzen sind wichtiger Bestandteil ihrer Arbeit. Ihre typischen Fältelungen und Wickelelemente sind formgebend. Doch die eigentliche Formensprache der Modelle leitet sich vom Body ab, dem ersten Stück von ihrer Kollektion. Er weist einen auffallend hohen Bund auf, wie die meisten ihrer Kleider und Hosen. Der so verkürzte Oberkörper soll etwas kindlich Verspieltes bekommen, erklärt die Stiftungspreisträgerin und bekennt zugleich, dass diese Proportionsverschiebung auch einen etwas "verschrobenen Eindruck" erweckt. "Ich möchte ein naives, skurriles Bild hervorrufen. Es soll ein Bild einer Person entstehen, die sich nicht bewusst, sondern intuitiv und spontan kleidet."
Bei der Stoffauswahl, die ausschließlich aus Naturfasern besteht, betreibt Kauder eine Art assoziatives Recycling, indem sie bewusst alte Stoffe wie Flicken und alte Leinentücher integriert, die seit mehr als fünf Generationen Bestand haben. "Mich faszinieren Kleidungsstücke aus vergangenen Jahrhunderten, ihre Verarbeitung, ihre Farbigkeit, aber auch das, was sie scheinbar über Menschen erzählen.", sagt die 27-Jährige.
Ihre Kollektion "Daily Bread" hat die Absolventin der Berliner Universität der Künste bei der UdK-Modenschau im Rahmen der ersten Mercedes-Benz-Fashion-Week 2007 präsentiert und erhielt dabei drei von sieben Jury-Auszeichnungen. Designer Stephan Schneider bescheinigt seiner Studentin ein "sinnlich-sensibles Gespür für Farben, Formen und Materialien" sowie eine "hohe handwerkliche Präzision". Die Jury der Wilhelm-Lorch-Stiftung befand die Modelle, "von überzeugender Schlichtheit und bester Verarbeitung". Mit dem 4000 Euro dotierten Förderpreis will Kathrin Kauder erste Schritte in die Selbstständigkeit als Designerin wagen. Einige Erfahrungen hat sie bereits gesammelt, unter anderem bei A.F. Vandeforst in Antwerpen und Annette Görtz in Gütersloh. Auf eine Zusage aus Paris wartet sie noch: Dorthin hat sie sich beworben, als Assistentin bei Balenciaga, ihrem großen künstlerischen Vorbild.
-Isabel Mühlbauer-