"Dialog der Technik"
Selten sind Techniker ausgesprochen kreativ und Kreative besonders technisch begabt - für Julia Scheyrer sind dies keine Gegensätze, sie beherrscht beide Disziplinen
Weben und Stricken - das sind in der textilen Welt seit jeher zwei verschiedene technische Bereiche. Wer sich nun aufmacht, wie Julia Scheyrer, diese beiden Welten verbinden zu wollen, wird zunächst als handarbeitende Bastlerin angesehen. Dass kreative und technisch maschinell herstellbare Flächen in Verbindung von überkreuzenden und sich verschlingenden Fäden entstehen können, hat die 27-Jährige in ihrer Diplomarbeit unter Beweis gestellt. Sie hat mit der Arbeit unter dem Titel "Dialoge" nicht nur ihren betreuenden Professor Karl Höing von der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart von ihrem Talent überzeugt, sondern auch die Jury der Wilhelm-Lorch-Stiftung.
Technisch und gestalterisch werden Techniken wie Weben, Stricken und Klöppeln mit Färb-Methoden und Druckerei kombiniert. Die entwickelten Gewebe/Strick-Verbindungen sind industriell umgesetzt und bringen neue Gestaltungsmöglichkeiten in die Mode. Auf der anderen Seite sind ein Teil der 32 Stoff/Strick-Proben der Diplomarbeit auch dem Bereich der künstlerisch-handwerklichen Seite zuzurechnen. So stellt sich heraus, dass es in der Welt der Flächenerzeugung noch einen unerforschten Schatz zu heben gibt. Julia Scheyrers Credo: "Ich fordere gerne die Technik heraus und interessiere mich für die Machbarkeiten. Profunde Kenntnisse der Technik können die Arbeit weiter bringen, weil man neue Wege gehen kann. Ich empfinde somit technische Grenzen nicht als Einschränkung."
Ein Praktikum beim Strickmaschinenhersteller Stoll in Shanghai hat das Wissen der heutigen Diplom-Designerin Julia Scheyrer in Sachen Technik gefördert. Das Praktikum war auch der Startschuss für das berufliche Fortkommen. Heute arbeitet sie bei Stoll in Shanghai als Strickdesignerin, schult dort Stricktechniker und erbringt weitere Dienstleistungen für die Kunden. Die Ideen aus ihrer Diplomarbeit kann sie allerdings nur teilweise einsetzen. Für die industrielle Nutzung der Kombination aus Weben und Stricken müsste ein Maschinenbauer mit ihr neue Wege gehen. Die Designerin dazu: "Aber es ist auch schon interessant, die Eigenschaften von einer Technik in die andere zu übertragen und daran zu arbeiten."
Einen großen Erfahrungsschatz sammelt Julia Scheyrer derzeit in Asien. Eine spannende Zeit, wie sie findet. Obwohl die anfängliche Begeisterung der Wahrnehmung von Realitäten nach und nach gewichen sei. Schwierig sei der Kommunikationsstil in China. Da gebe es doch sehr viele Missverständnisse und Unklarheiten. Daran gewöhnt sich die junge Frau nun langsam. Aber nach zwei Jahren soll der Weg dann wieder zurück nach Europa führen, wo weitere spannende Aufgaben in der Kombination von Kreativität und Technik auf die junge Frau warten. Vielleicht schlägt sie auch den Weg in eine Lehrtätigkeit ein - eine Möglichkeit, die sicherlich durch den Wilhelm-Lorch-Preis erleichtert wird. Aber bis dahin hat Julia Scheyrer noch etwas Zeit.
-Christel Wickerath-