"Mehr als nur das Grundgewicht"

Hanna Beck hat in ihrer Diplomarbeit Stoffe zum Thema Leichtigkeit entwickelt.
Leichtigkeit ist nicht immer am Gewicht zu messen. Leicht ist auch das, was wir optisch als leicht wahrnehmen, was wir mit Leichtigkeit assoziieren. Leichtigkeit, der Gegensatz von Schwere. Leichtigkeit, ein positives Gefühl, ein schwebender Zustand. Da mit hat sich die frisch diplomierte Textildesignerin Hanna Beck aus Stuttgart auseinandergesetzt - und zu Recht einen Preis der Wilhelm Lorch-Stiftung erhalten. In ihrer Arbeit setzt die 26-Jährige das Thema Leichtigkeit in verschiedene, selbst entworfene Stoffarten um. Da ist ein wolkenartiges Gestrick mit feinsten Metallfäden, ein Baumwoll-Glasbatist mit filigranem Lochausbrenner in Blattform, ein zarter Druck einer Libelle. "Ich wollte vor allem den optischen Aspekt von Leichtigkeit untersuchen, es kam nicht unbedingt darauf an, dass der Stoff wenig wiegt", sagt Hanna Beck, die nach ihrem Studium erst Station bei Luisa Cerano gemacht hat und nun in der Schweiz beim Heimtextilanbieter Christian Fischbacher, bekannt für seine exklusiven Homedesigns, beschäftigt ist. Sie ist das Thema ganz philosophisch angegangen, untersucht Leichtigkeit auf allen Bedeutungsebenen, auch außerhalb der textilen Welt - und zitiert dabei Milan Kundera aus seinem Roman "Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins": "Der Gegensatz von leicht und schwer ist der geheimnisvollste und vieldeutigste aller Gegensätze." Wie kommt man auf solch ein Thema? "Ich wollte etwas machen, was mich fasziniert, vor allem, da man sich ja lange damit beschäftigen muss", sagt die Designerin. Und zarte, transparente Stoffe haben sie von jeher beeindruckt. Vor allem die Techniken des Strickens und des Siebdruckens haben es der kreativen Schwäbin angetan. "Beim Stricken kann man noch spontan eingreifen und Dinge verändern - das ist beim Gewebe schwieriger." 33 Stoffe sowie zwei handgefertigte Kleider hat Hanna Beck für ihre Arbeit "Das Gewicht der Leichtigkeit" - so der Titel - entworfen. Deutlich wird, dass die Leichtigkeit eines Stoffes eben nicht nur am Grundgewicht, sondern auch an Farbe, Materialität und Oberflächenbeschaffenheit fest gemacht wird. Die Stoffe, die das Thema am eindrucksvollsten interpretieren, sind ein Glasbatist mit einem Lochbrenner sowie ein Doppelgestrick, das aussieht wie ein Spinnennetz. Beide Stoffe sind so fragil, dass sie sich bei Verwendung bald auflösen werden - "eine Gratwanderung", wie Hanna Beck anmerkt, "nichts für den realen Gebrauch, sondern eher etwas für die Haute Couture, den Laufsteg." Ihre Arbeit trägt eine ebenso leichte Note - 1,0 für eine Leistung, die als eine der besten von allen je entstandenen Abschlussarbeiten der Staatlichen Akademie für Bildende Künste in Stuttgart entstanden ist, heißt es in der Bewertung ihres Professors. Bei Christian Fischbacher hat sie vorerst ihren Traumjob gefunden - in einem Designteam von vier Designerinnen und inmitten der kreativen Textilzone des schweizerischen St. Gallen. Irgendwann einmal vielleicht selbstständig zu sein, mit einer kleinen Ideen-Werkstatt für Textildesign, davon träumt Hanna Beck. Aber erst einmal Erfahrungen möchte sie sammeln - und sich jetzt vom Preisgeld eine Musterstrickmaschine für zu Hause kaufen.
-Martina Metzner-