"Geklebt statt genäht - auf neuen Wegen zum Hemd"

Anja Schlißke hat neue Einsatzmöglichkeiten von Bonding getestet.
Die Idee für ihre Bachelor-Arbeit kam Anja Schlißke bei einem Besuch der Kölner Fachmesse IMB im vorletzten Jahr. Dort gewann die Studentin Anja Schlißke, die an der Hochschule Albstadt-Sigmaringen ein Bachelor-Studium der Fachrichtung Bekleidungstechnik abgeschlossen hat und zurzeit ein Master-Studium in Textil- und Bekleidungsmanagement absolviert, einen Eindruck von den vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten der Klebetechnologie Bonding aufmerksam, die bisher allerdings vor allem im Outdoor-, Sport- und Wäschebereich zum Einsatz kommt. Während diese "alternative Fügetechnologie", bei der Textilien nicht zusammengenäht, sondern mithilfe eines Klebers verbunden werden, im Outdoor-, Sport- und Wäschebereich schon weit verbreitet ist, spielt sie im Modebereich bisher kaum eine Rolle, weiß Anja Schlißke. Anja Schlißke stellte sich die Frage, ob es möglich sei, Bonding auch bei der Produktion von Oberbekleidung einzusetzen, etwa ein komplett geklebtes Herrenhemd herzustellen und auch komplexere Formen wie Kragen oder Manschetten durch Bonding zusammenzufügen. Und sie beschloss, dem Thema in ihrer Bachelor-Arbeit nachzugehen.
Das Shirt Department und das Development Center der Hugo Boss Ticino SA in der Schweiz und die Macpi SpA, ein italienischer Hersteller von Bondingmaschinen, auf den Anja Schlißke auf der IMB 2009 aufmerksam geworden war, ermöglichten ihr die Durchführung einer Machbarkeitsstudie. Nach zahlreichen Tests, durch die unter anderem Material, Gestaltung und Verarbeitung festgelegt wurden, kam Anja Schlißke zum Schluss, dass es durchaus möglich ist, ein komplett geklebtes Hemd herzustellen- und auch typische Produktdetails zu berücksichtigen. So fand sie einen Weg, um die Mehrweite, etwa an Kragen und an Ärmeleinsatznähten einhalten zu können. Sogar Kragenstäbchen konnten eingearbeitet werden. Bei Ärmelschlitzen oder aufgesetzten Taschen konnte durch die Klebetechnik eine besonders akkurate und saubere Optik erreicht werden.
Anja Schlißke, die im Laufe ihres Studiums Praktika beim Wäschehersteller Mey und bei der Hugo Boss Ticino SA absolviert hat, kommt in ihrer auf Englisch verfassten Arbeit mit dem Titel "Seamless Clothing Processing" unter anderem zum Schluss, dass die Anwendung der neuen Technologie "eine einschneidende Veränderung im Herstellungsprozess und in der Optik von klassischen Herrenhemden" zur Folge hat. Sie sieht ihre Thesis, die mit der Note 1,0 bewertet wurde, als Inspirationsquelle für Designer und Produktentwickler. die immer wieder auf der Suche nach neuen Ideen sind. "Die Technologie bietet auch oder gerade im Bereich der Mode viel mehr Möglichkeiten, die nur darauf warten, genutzt zu werden."
Nach ihrem hervorragenden Bachelor-Abschluss mit der Gesamtnote 1,2 absolviert Anja Schlißke zurzeit den Master-Studiengang Textil- und Bekleidungsmanagement an der Hochschule Albstadt-Sigmaringen und sammelt dabei auch Erfahrungen im Ausland. Seit dem vergangenen August befindet sich die 24-Jährige in Schweden, wo sie an der University of Borås den Studiengang Applied Textile Management belegt. Danach wird sie ihr Studium in Deutschland beenden. Das Preisgeld der Wilhelm-Lorch-Stiftung nutzt sie als finanzielle Unterstützung ihres Studiums, das sie auch als Möglichkeit sieht, eine konkrete Vorstellung über ihren weiteren Berufsweg zu erlangen. Dass sie der Branche treu bleiben wird, steht für sie außer Frage.
-Madeline Vidak-